…und täglich grüsst das Murmeltier. Ich liege im Bett, futtere noch ein paar Chips, lese und schaue Fernseh. Meine Freunde, die Mücken, sind noch da…aber sie lassen mich ja in Ruhe. Im TV kommt ein Bericht über Eisangeln in Russland, im Buch lese ich genau den gleichen Absatz wie gestern. Ich zweifel langsam an mir selber! Oh, einfach verblättert und in dem Sender kommt wohl jeden Abend das gleiche….
Mir gehen noch viele Gedanken durch den Kopf. Wir haben heute so viel über die Mongolei erfahren, das ist wirklich spannend. Ich sehe das Land und die Menschen mehr und mehr in einem anderen Licht.
Der Mongole ist wirklich sprachbegabt, alles was in englisch vorgelesen wird klingt perfekt! Der Mongole ist sehr mit seiner Verwandtschaft verbunden. Es gibt eigentlich immer einen Verwandten bei dem man leben kann und der einem hilft. Höchstens man säuft oder schlägt zu viel – dann fliegt man raus.
Andrea hat uns von einer Frau erzählt, die 16 Kinder hat. Auf Nachfrage sagt sie, dass sie 15 eigene und ein Baby gefunden hat. Das habe sie dann natürlich aufgenommen. Das Baby hatte einen Zettel an sich auf dem stand: nicht gewollt, sie hat es dann umgetauft in gefundene Freude. Was für eine schöne Geschichte, die aber wahr ist.
Auch wird viel in Gruppen gelebt oder in Gruppen auch Firmen gegründet. Für Vision Fund zum Beispiel ist das gut, da immer jeder nach dem anderen schaut.
Hatte ich von der Sprache erzählt? Mongolisch hat nicht so viele Wörter wie Deutsch…ich mache mal ein paar Beispiele:
wir sagen, die Frau ist gelähmt. Der Mongole sagt: die Frau kann nicht aufstehen, sie ist krank, sie kann nicht laufen…
wir sagen, wir gehen schwimmen. Der Mongole sagt: wir gehen ins Wasser baden, machen dort Sport, bewegen uns vorwärts….
Versteht Ihr? Deswegen dauert jede Übersetzung drei mal so lange….
Eine andere Geschichte: Man schenkt einem Mongolen ein paar neue Schuhe. Problem ist, dass er seine alten, zerschlissenen weiter trägt und die neuen Schuhe auf dem Flohmarkt verkauft.
Das ist gar nicht böse gemeint, einfach nur eine andere Art zu denken: meine gehen noch, ich brauch keine neuen, ich kann die alten noch tragen. Das Geld kann ich wesentlich besser gebrauchen – also verkaufe ich sie.
Daher ist eine Organisation einmal hergegangen und hat neue Schuhe verteilt, aber die alten einkassiert. Das ist dann nachhaltig.
Andrea hat auch schon erzählt, dass sie Schülern oder Eltern ein Buch geschenkt hat. Monate später hat sie dieses Buch dann auf dem Flohmarkt gesehen und jemand wollte es ihr verkaufen – gleiches Symptom.
Mongolische Besucher in ihrer Wohnung wundern sich immer über die Bücherwand – das ist komplett sinnlos! Das brauch man nicht. Ein Buch kann man doch, wenn man es gelesen hat, weiterverkaufen….müsste man beim Weiterziehen ja auch nur mit sich rumschleppen!
Das soll hier gar keine negative Beschreibung der Mongolen sein, einfach ein Aufzeigen einer komplett anderen Art zu denken. Daher bringt es wenig jemandem Geld in die Hand zu drücken – das wär null nachhaltig.
Bisher war es trocken hier in der Mongolei und sehr warm, heute morgen jedoch, als ich aus dem Fenster schaue, ist es zum ersten Mal bewölkt und es regnet. Vor der Tür merke ich dann auch, dass es kalt geworden ist. Unser Fahrer Bagi holt uns ab und bringt uns zum Office. Heute findet das Debriefing statt. Überall sind Pfützen, es regnet noch und alles ist nass. Jetzt fallen mir wieder all die Kinder ein, die in der Kanalisation, den feuchten Kellern und Hütten mit defekten Dächern wohnen. Wie haben sie die Nacht verbracht? Wie geht es ihnen heute morgen? Es ist wirklich kalt! Ich konnte aufstehen, von einem Landjäger abbeissen und eine einigermassen warme Dusche zu mir nehmen – mit Duschgel! Läuft zwar nicht ab, das spielt aber jetzt grad keine Rolle.
Obwohl man etwas abkühlt und mehr an Bildern, realem Leben ertragen kann und man nicht mehr so taub und hilflos wie die ersten Tage ist, bringt mich der Wetterumschwung doch zum Nachdenken.
Was machen die Kinder nun? Sie können nicht mehr draussen rumspringen und Fussball mit alten Basketbällen spielen.
Apropos Fussball – das habe ich toll hinbekommen! Einfach glatt vergessen! Wobei ich mir als meine persönliche Entschuldigung zurecht lege, dass es wirklich schwer ist einen Fussball zu kaufen. Wo denn auch, wenn man nirgendwo alleine hin darf, ständig den Fahrer braucht, sich nicht verständigen kann, …. Werde ich gleich nachher mit Niklas besprechen.
Warum habe ich den Tag gestern nur so verschleudert?? Day off, erholen, Sightseing…man stumpft einfach ab. Ohne dass man es will.
Danke Fabi für die Idee was mit Deiner Klasse zu machen! Ich finde die Idee grossartig! Bin auf Eure ausgefeilten Ideen gespannt! Das Thema ist so einfach: Was habe ich als Kind in Europa, was kann ich abgeben damit es einem Kind, dem es nicht so gut geht, besser geht. Simple! Toll von Euch!
Steckt doch mit Euren Ideen die ganze Schule an, das wär der Hammer!
Ihr bekommt dann auch eine Unterrichtsstunde von uns gestaltet!
Debriefing verläuft gut, David fasst nochmal alle Punkte zusammen. Alle Besuche, alle Veränderungen die geschehen müssen. Aber man merkt die letzten Tage sehr deutlich, dass die Mitarbeiter hier voll bei der Sache sind. Sie ziehen an einem Strang und sind ein Team – das ist gut!
Ein älterer Mitarbeiter im Team zieht die Schale mit den Süssigkeiten (die immer vorhanden sein muss, egal wo wir sind) zu sich heran und hebt sie hoch. Er erklärt auf mongolisch, dass wenn man mal nichts nehmen will, einfach nur die Schale mit der Hand berühren soll. Das ist Höflichkeit und passt dann für den Gastgeber! Na prima! Hätte mir das mal irgendjemand früher sagen können???
Niklas lenkt ein, dass man normal im National Office nach der Ankunft eine Einführung in das Land bekommt. Diese Schulung habe ich nicht verschlafen, wurde wohl einfach nicht gemacht.
David muss noch die Finanzen und Pläne für das neue Finanzjahr (beginnt am 01. Oktober) checken. In dieser Zeit fahre ich mit zwei Mitarbeitern und dem Fahrer in eine Zahnarztpraxis. Wie bei so vielen Dingen hier muss eine Sinneswandlung geschaffen werden. Warum Zähne putzen, warum mit eigener Zahnbürste, warum zum Zahnarzt gehen, warum checken lassen, usw. Die Ärztin ist nett, aber ich bin leider nicht der Ansprechpartner für eine weitere Praxis oder eine weitere Ärztin. Das muss die Regierung machen. Wie man die Tage feststellen konnte ist es wichtig den Kontakt zur Regierung oder den regionalen politischen Gemeinden zu halten. Hier muss noch viel Lobbyarbeit betrieben werden. Aber wir sind auf einem guten Weg!
Wusstet Ihr, dass in einem normalen mongolischen Haushalt nur eine Zahnbürste und ein Handtuch vorhanden ist? Nicht schlecht über die Mongolen denken! Alles gut! Das ist einfach eine andere Kultur! Hier können wir auch nicht reinreiten und Zahnbürsten verteilen: Hey die braucht ihr doch, habt ja nur eine im Haushalt! Wir sind die Guten, wir bringen Euch alles! 100 % landen die Zahnbürsten dann wieder auf dem Flohmarkt. Aber Hygiene erklären ist wichtig! Das ist der Ansatz.
Nächster Halt ist meine Lieblingsschneiderin! Mein Zippulli muss noch am Kragen kurz genäht werden ….. und fertig! Ich probieren an – passt wie angegossen! Er ist warm, die Farben passen, alles ist richtig genäht! Ich bin stolz! Ich sage ihr das so oft! Da kommt Maximo – er kommt von den Philippinen und arbeitet im Business Incubation Center Darkhan – und er spricht Englisch! Perfekt. Nun habe ich also auch einen Ansprechpartner vor Ort! Die Pläne können also langsam umgesetzt werden, darüber schreibe ich aber hier nicht, sorry.
Mit grossem Tschüss, Goodbye und Baichla gehts zurück zur Verabschiedung ins Offce.
Alle sind da, bzw. alle müssen kommen.
Jeder will mit jedem aufs Bild, da müsste man jetzt gut rechnen können um zu wissen wieviele Bilder das bei 12 Personen gibt.
Man singt ein mongolisches Lied für uns – sehr emotional. Wir bekommen eine goldene Nadel der Region Darkhan angesteckt und man wartet noch auf eine Überraschung die gleich kommt.
Da kommt Bagi der Fahrer zur Tür rein mit einem riesen Bild: mongolische Flagge, schweizer Flagge drauf und das Logo von World Vision Mongolia. Aufwändig in Handarbeit mit kleinen Perlen gemacht! Wir sind voller Freude – aber doch auch Trauer, dass wir gehen müssen. Ich verspreche wiederzukommen!
Zum Abschied schenke ich Bagi noch meine World Vision Mütze (Marc, sag was sie kostet – bezahle ich dann). Auf seiner steht Tequila, was ja bei der Anti-Alkohol-Kampagne ja eher nicht so gut passt. Er lächelt und ist glaub auch ein wenig Stolz. Ich hoffe nur er verkauft sie jetzt nicht gleich…
Wir gehen zu unserem Jeep und der andere ältere Mitarbeiter zeigt allen, dass ich wieder Tränen in den Augen habe – mir egal! Ist so!
Wir fahren davon!
Nicht nur einen Teil von meinem Herz lasse ich in Darkhan, auch mein Hemd bleibt hier. Nicht weil es sehr intensiv riecht nach 5 Tagen, nein ich habe es einfach aus Versehen im Zimmer hängen lassen. Vielleicht finde ich es auf einem Flohmarkt wenn ich das nächste Mal in Darkhan bin….
Kurz an einem Shop (hatte ich erzählt wie ein Shop aussieht?) angehalten, kaufe ich für den anderen Fahrer und mich wieder Coke – muss sein! Irgendwie wissen die Fahrer auch langsam, dass ich immer was mitbringe und los gehts Richtung Ulan Bator.
Diesmal sehe ich die Landschaft von der rechten Seite des Jeeps aus, bzw. auf der anderen Seite wie auf der Herfahrt. Ich unterhalte mich mit Niklas und beobachte die vorbeiziehende Landschaft während ich durchgeschüttelt werde. Mein Knie schmerzt, hatte ich mir in der Nacht irgendwie verdreht. Nach einer Stunde Fahrt frage ich ob wir mal nach einem Yack Ausschau halten können – ich muss noch Bilder machen. Den Geier hab ich mir abgeschminkt!
David und ich laufen auf die Herde zu, Rachel folgt uns unauffällig. Wir machen Bilder, hoffe sie werden gut. Der Stier der Herde wird auf uns aufmerksam. Sein Blick sagt: Freunde, verschwindet hier. Heute müsste ihr noch nicht mal an Yackbraten, Yackfleischbällchen Toscana (Alex, das wär was), Yackfleischsosse oder free Yacks nachdenken! Also haben wir den Rückzug angetreten.
Zurück in der grossen Stadt fällt uns sofort auf was uns gefehlt hat: Stau, Stau, Stau, Gestank, Lärm und Nussverkäufer an der Strasse….von der Stadteinfahrt bis zum Hotel brauchen wir ca. 1,5 Stunden. Wahnsinn!
Kurzer Stop am Lebensmittelladen. Ich decke mich mit Coke, Bounty, Leicht&Cross Brot (naja Brot…), Wiener Würstchen und Scheiblettenkäse ein. Das gibt ein Festmahl!!
Hotelzimmer ist schön – teile ich mir wieder mit David, aber nur für eine Nacht, er reist morgen weiter. Er und Rachel wollen noch was Essen gehen – soll ichs wagen? Chinesisch essen im Hotel? Also nicht ein Hotel wie in Frankfurt am Main oder sontwo bei uns in Europa….Ich gehe mit und schaue mir 20 Minuten die Karte an. Chicken süßsauer müsste gehen, finde ich aber nicht. Die Kellnerin versteht immer nur Soyasosse und das gibts nur mit Chickenwings….Die anderen schmausen Fleisch mit Kartoffeln und Reis. Riecht lecker – ich schaue zu und finde ein nicht gesperrtes Wireless Lan…jetzt hab ich es aber ja eh schon fast geschafft.
Sitze jetzt im Zimmer, David vor dem Rechner, ich auch. Wir könnten uns Mails schreiben…
Morgen gibts noch mal nen harten Tag und ich freue mich auf das Lighthouse! Es gibt noch sehr viel vorzubereiten. Bilder drucken und Sachen kaufen – aber ich freu mich drauf. Morgen abend wird es dann nochmal richtig hart denn wir werden mit der Polizei in der Stadt Kinder auf der Strasse einsammeln – ich habe ein wenig Angst.
Schon mal ein wenig zurück geblickt würde ich am liebsten hier bleiben! Ich würde gerne die Zusammenarbeit mit Unternehmen, Regierung und Organisationen herstellen. Das kann so erfolgreich werden. Gerade die Westeuropäischen Firmen die hier reindrücken – ich würde sofort auf der Matte stehen. Diese Ideen werde ich morgen im National Office nochmal platzieren. Dort gibt es Leute die das tun können.
Wir Ihr lest ist das kein harter Tag an Erfahrungen, dies ist ein Tag voller Lernen rund um die Mongolei und die Menschen. Ich schliesse sie immer mehr und mehr in mein Herz ein. Irgendwie ist vieles auch lustig. Warum Heu machen, die Tiere können doch auf der Wiese alles fressen….ups der Winter ist da und jetzt liegt auf einmal Schnee auf dem Gras.
Wenn wir zusammen Essen gehen, sobald sie fertig sind mit Essen steht einer nach dem anderen auf und geht an die frische Luft, warum da noch lange rumsitzen….
Hatten wir bei einem gemeinsamen Mittagessen erlebt, auf einmal alle weg.
Von dem Lebemensch Mongole können wir uns aber echt eine Scheibe abschneiden. Andrea hat mir gestern gesagt dass ich auf den Mongolen einen sympatischen Eindruck mache. Gross bedeutet stark und bisschen Bauch und wohl genährt heisst er isst gerne – diese Menschen mögen sie! Toll, ich hab mich geschmeichelt gefühlt obwohl sie ja kein Mongole ist.
Ich schliesse jetzt!
Danke fürs Lesen und Eure Ideen!
Hat eigentlich schon jemand meiner Mom geschrieben? Findet Ihr auch unter Petra Schmidt bei Facebook.
Danke fürs Helfen!
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